Kürzlich
wurden die Vorteile eines bunt gemischten Redaktionsteams bei
Motorrad-Tourer.com mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen, Kenntnissen
und Fähigkeiten wieder all zu deutlich. Leider auf meine Kosten…
Noch positiv berührt von den Lobeshymnen meiner selbst schraubenden Kollegen in Bezug auf den getesteten Drehmoment-Schlüssel 5123-2CLT von Hazet
fiel mir ein kurzer News-Artikel in einer führenden deutschen
Motorrad-Zeitschrift in die Hände: Die Firma Wiha-Werkzeuge, ein
inhabergeführter Hersteller von hochwertigen Premium-Werkzeugen mit Sitz
im süddeutschen Schonach, führe einen Präzisions-Schraubendrehersatz im
Programm, mit dem kontrolliertes Verschrauben im niedrigen
Drehmomentbereich zwischen 1,0 und 5,0 Nm und damit deutlich unterhalb
des Einsatzgebietes des so überzeugenden Hazet-Modells möglich sei.
Schnell war der Kontakt zum Unternehmen hergestellt und dankenswerter
Weise befand sich schon innerhalb weniger Tage ein solide verpackter TorqueVario®-S Drehmoment-Schraubendrehersatz auf dem Postweg in unsere Redaktion.
Diesem – immerhin ca. 180 Euro teuren – Tool werden auf der Homepage des Herstellers folgende Eigenschaften zugeschrieben:
„Griff
Modell
1,0-5,0 Nm. Drehmoment stufenlos einstellbar mit Einstellwerkzeug
Torque-Setter (im Lieferumfang enthalten). Ergonomischer
Mehrkomponentengriff, extrem handlich durch leichte und kompakte
Bauweise. Klicksignal beim Erreichen des eingestellten Drehmomentwerts.
Anwendung
Zum kontrollierten Verschrauben bei vorgegebenem Drehmoment.
Normen
EN ISO 6789, BS EN 26789, ASME B107.14M.
Vorteil
Senkt
Ihre Kosten: Das richtige Drehmoment schützt vor Materialbeschädigungen
und teuren Reparaturen. Erhöht Ihre Sicherheit: Mit Wiha
Präzisions-Drehmomentwerkzeugen werden alle sensiblen Teile exakt
festgeschraubt. Schont Ihre Gesundheit: Patentiertes SoftFinish® Griffdesign für hand- und muskelschonendes Arbeiten.
Extra
Lieferung in stabiler Box. Inkl. Werksprüfprotokoll“
Das
Besondere an diesem Tool schien mir die geringe Toleranz von lediglich 6
% nach Herstellerangaben zu sein, die ich ebenso wie bei dem
Hazet-Modell auf dem Ulli zur Verfügung stehenden Messgerät überprüfen
lassen wollte. Auch die Ausstattung mit Imbus-Bits (2,5; 3,0; 4,0; 5,0;
6,0 und 8,0) sowie Torx-Einsätzen (T10; T15 und T25) und einem Einsatz
für Kreuzschrauben erschien mir durchdacht und sinnvoll.
Als
dann das Überraschungspaket – ich hatte meinen Kollegen im Vorfeld
nichts davon gesagt – eintrudelte, war ich dann auch schon mächtig
gespannt auf ihre Reaktionen. Umso enttäuschter war ich, als sich die
Begeisterung deutlich in Grenzen hielt. Viel zu schnell versuchten beide
schrauberaffine Ullis sowie der ebenfalls mit viel handwerklichem
Geschick ausgestatte Hannes, wegen irgendwelcher anderen Aufgaben aus
dem Gespräch herauszukommen, ohne sich zu unserer neuesten
Errungenschaft zu äußern. Lediglich die Frage nach dem Kaufpreis schien
noch die Nutzung der Stimmbänder zu rechtfertigen.
Aber
sie haben nicht mit meiner Hartnäckigkeit gerechnet, war mir doch sehr
an ihrer Meinung gelegen. Und außerdem wollte ich wissen, welches
Ergebnis die messtechnische Überprüfung der angegebenen Toleranz ergab.
Irgendwann bekam ich sie dann zu greifen und wollte, dass sie sich mit
dem neuen Tool befassen sollten.
„Schreib
etwas über die solide Verpackung, die aufgeräumte Anordnung des
Lieferumfangs im Kasten und über das geringe Packmaß“ rieten die drei
mir übereinstimmend, ohne auch nur eine Schraube mit dem Torque bewegt
zu haben. Nach einem kurzen Herausnehmen des handlich wirkenden Griffs
empfahlen sie mir auch, etwas darüber zu schreiben, dass dieser gut in
der Hand läge. Und sich wertig anfühle. Dann war der Griff schon wieder
verstaut und der Kasten geschlossen, während die drei in seltener
Einigkeit versuchten, erneut das Weite zu suchen.
Warum
sie den Schraubendreher weder an das Messgerät anschließen noch ihn
praktisch ausprobieren wollten, interessierte mich dann brennend. Also
klärten Sie mich auf:
„Wir
haben einen Messcomputer zur Verfügung, der für RICHTIGE Drehmomente
gedacht ist. Unterhalb von 5 Nm lässt sich da nichts prüfen. Und
außerdem kann man solch einen Drehmoment-Schraubendreher benutzen, muss
es aber nicht“ verrieten sie mir einhellig. Auf meine verdutzte Frage
nach dem Warum gab es dann die nächste nur allzu deutliche Antwort:
„Weil wir Motoröl auch nicht mit einer Milli-Liter-genauen Spritze
auffüllen, weil wir den Reifenfülldruck nicht mit einer
Präzisionsluftpumpe auf zwei Stellen hinter dem Komma genau anpassen und
weil wir zum Ausrichten der Rückspiegel auch kein Geo-Dreieck
verwenden!“
Dann
endlich habe auch ich es verstanden: Das Einsatzgebiet dieses
Schraubendrehers ist eher nicht das Schrauben an motorisierten
Zweirädern. Wenn dort solch geringe Kräfte gefordert sind, wissen
erfahrene Schrauber, wie etwas „handwarm“ anzuziehen ist. Derartige Präzisionswerkzeuge wie der TorqueVario®-S Drehmoment-Schraubendrehersatz
haben ihre Existenzberechtigung in anderen Einsatzgebieten mit höheren
Präzisionsanforderungen, nicht aber in der eher robusten Motorradwelt.
Selten
habe ich unter den dreien eine größere Einigkeit erlebt, als sie nun
natürlich die Klischees vom Schreiberling, der vom Schrauben mal gar
keine Ahnung habe, erneut bedient fühlten. Zugegeben, mir fehlten die
Gegenargumente.
Um
die Erfahrung reicher, dass man auch nicht jeden Hinweis in noch so
bekannten Motorrad-Zeitschriften ungeprüft aufgreifen muss, habe ich
mich gegenüber meinen Kollegen wenigstens in puncto Punktevergabe ein
wenig behaupten können. Wegen des geringen praktischen Nutzen des TorqueVario®-S
Drehmoment-Schraubendrehersatzes am Motorrad gibt es unabhängig von der
Frage, wie hochpräzise dieses Tool tatsächlich funktioniert,
insbesondere auch unter Berücksichtigung des dafür wenig überzeugenden
Preis-Leistungs-Verhältnisses immerhin noch ein LikeBike von den fünf
möglichen. Wegen der wertigen Verarbeitung und der guten Lage des Griffs
in der Hand. Und wegen des geringen Packmaßes. Und der übersichtlichen
Anordnung des Lieferumfangs im soliden Kasten. Verbunden
mit der Erkenntnis, dass ich künftig meine Kollegen vorher fragen
werde, eh ich versuche, sie mit technischen Tools zu überraschen und zu
begeistern: Schuster, bleib bei deinen Leisten…
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen