Samstag, 1. Oktober 2016

TorqueVario®-S Drehmoment-Schraubendrehersatz

Dezember 2015

Kürzlich wurden die Vorteile eines bunt gemischten Redaktionsteams bei Motorrad-Tourer.com mit ganz unterschiedlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fähigkeiten wieder all zu deutlich. Leider auf meine Kosten…


Noch positiv berührt von den Lobeshymnen meiner selbst schraubenden Kollegen in Bezug auf den getesteten Drehmoment-Schlüssel 5123-2CLT von Hazet fiel mir ein kurzer News-Artikel in einer führenden deutschen Motorrad-Zeitschrift in die Hände: Die Firma Wiha-Werkzeuge, ein inhabergeführter Hersteller von hochwertigen Premium-Werkzeugen mit Sitz im süddeutschen Schonach, führe einen Präzisions-Schraubendrehersatz im Programm, mit dem kontrolliertes Verschrauben im niedrigen Drehmomentbereich zwischen 1,0 und 5,0 Nm und damit deutlich unterhalb des Einsatzgebietes des so überzeugenden Hazet-Modells möglich sei. Schnell war der Kontakt zum Unternehmen hergestellt und dankenswerter Weise befand sich schon innerhalb weniger Tage ein solide verpackter TorqueVario®-S Drehmoment-Schraubendrehersatz auf dem Postweg in unsere Redaktion.


Diesem – immerhin ca. 180 Euro teuren – Tool werden auf der Homepage des Herstellers folgende Eigenschaften zugeschrieben:


Griff   

Modell 1,0-5,0 Nm. Drehmoment stufenlos einstellbar mit Einstellwerkzeug Torque-Setter (im Lieferumfang enthalten). Ergonomischer Mehrkomponentengriff, extrem handlich durch leichte und kompakte Bauweise. Klicksignal beim Erreichen des eingestellten Drehmomentwerts.

Anwendung

Zum kontrollierten Verschrauben bei vorgegebenem Drehmoment.


Normen

EN ISO 6789, BS EN 26789, ASME B107.14M.


Vorteil

Senkt Ihre Kosten: Das richtige Drehmoment schützt vor Materialbeschädigungen und teuren Reparaturen. Erhöht Ihre Sicherheit: Mit Wiha Präzisions-Drehmomentwerkzeugen werden alle sensiblen Teile exakt festgeschraubt. Schont Ihre Gesundheit: Patentiertes SoftFinish® Griffdesign für hand- und muskelschonendes Arbeiten.


Extra

Lieferung in stabiler Box. Inkl. Werksprüfprotokoll“




Das Besondere an diesem Tool schien mir die geringe Toleranz von lediglich 6 % nach Herstellerangaben zu sein, die ich ebenso wie bei dem Hazet-Modell auf dem Ulli zur Verfügung stehenden Messgerät überprüfen lassen wollte. Auch die Ausstattung mit Imbus-Bits (2,5; 3,0; 4,0; 5,0; 6,0 und 8,0) sowie Torx-Einsätzen (T10; T15 und T25) und einem Einsatz für Kreuzschrauben erschien mir durchdacht und sinnvoll.



Als dann das Überraschungspaket – ich hatte meinen Kollegen im Vorfeld nichts davon gesagt – eintrudelte, war ich dann auch schon mächtig gespannt auf ihre Reaktionen. Umso enttäuschter war ich, als sich die Begeisterung deutlich in Grenzen hielt. Viel zu schnell versuchten beide schrauberaffine Ullis sowie der ebenfalls mit viel handwerklichem Geschick ausgestatte Hannes, wegen irgendwelcher anderen Aufgaben aus dem Gespräch herauszukommen, ohne sich zu unserer neuesten Errungenschaft zu äußern. Lediglich die Frage nach dem Kaufpreis schien noch die Nutzung der Stimmbänder zu rechtfertigen.



Aber sie haben nicht mit meiner Hartnäckigkeit gerechnet, war mir doch sehr an ihrer Meinung gelegen. Und außerdem wollte ich wissen, welches Ergebnis die messtechnische Überprüfung der angegebenen Toleranz ergab. Irgendwann bekam ich sie dann zu greifen und wollte, dass sie sich mit dem neuen Tool befassen sollten.



„Schreib etwas über die solide Verpackung, die aufgeräumte Anordnung des Lieferumfangs im Kasten und über das geringe Packmaß“ rieten die drei mir übereinstimmend, ohne auch nur eine Schraube mit dem Torque bewegt zu haben. Nach einem kurzen Herausnehmen des handlich wirkenden Griffs empfahlen sie mir auch, etwas darüber zu schreiben, dass dieser gut in der Hand läge. Und sich wertig anfühle. Dann war der Griff schon wieder verstaut und der Kasten geschlossen, während die drei in seltener Einigkeit versuchten, erneut das Weite zu suchen.



Warum sie den Schraubendreher weder an das Messgerät anschließen noch ihn praktisch ausprobieren wollten, interessierte mich dann brennend. Also klärten Sie mich auf:


„Wir haben einen Messcomputer zur Verfügung, der für RICHTIGE Drehmomente gedacht ist. Unterhalb von 5 Nm lässt sich da nichts prüfen. Und außerdem kann man solch einen Drehmoment-Schraubendreher benutzen, muss es aber nicht“ verrieten sie mir einhellig. Auf meine verdutzte Frage nach dem Warum gab es dann die nächste nur allzu deutliche Antwort: „Weil wir Motoröl auch nicht mit einer Milli-Liter-genauen Spritze auffüllen, weil wir den Reifenfülldruck nicht mit einer Präzisionsluftpumpe auf zwei Stellen hinter dem Komma genau anpassen und weil wir zum Ausrichten der Rückspiegel auch kein Geo-Dreieck verwenden!“


Dann endlich habe auch ich es verstanden: Das Einsatzgebiet dieses Schraubendrehers ist eher nicht das Schrauben an motorisierten Zweirädern. Wenn dort solch geringe Kräfte gefordert sind, wissen erfahrene Schrauber, wie etwas „handwarm“ anzuziehen ist. Derartige Präzisionswerkzeuge wie der TorqueVario®-S Drehmoment-Schraubendrehersatz haben ihre Existenzberechtigung in anderen Einsatzgebieten mit höheren Präzisionsanforderungen, nicht aber in der eher robusten Motorradwelt.


Selten habe ich unter den dreien eine größere Einigkeit erlebt, als sie nun natürlich die Klischees vom Schreiberling, der vom Schrauben mal gar keine Ahnung habe, erneut bedient fühlten. Zugegeben, mir fehlten die Gegenargumente.


Um die Erfahrung reicher, dass man auch nicht jeden Hinweis in noch so bekannten Motorrad-Zeitschriften ungeprüft aufgreifen muss, habe ich mich gegenüber meinen Kollegen wenigstens in puncto Punktevergabe ein wenig behaupten können. Wegen des geringen praktischen Nutzen des TorqueVario®-S Drehmoment-Schraubendrehersatzes am Motorrad gibt es unabhängig von der Frage, wie hochpräzise dieses Tool tatsächlich funktioniert, insbesondere auch unter Berücksichtigung des dafür wenig überzeugenden Preis-Leistungs-Verhältnisses immerhin noch ein LikeBike von den fünf möglichen. Wegen der wertigen Verarbeitung und der guten Lage des Griffs in der Hand. Und wegen des geringen Packmaßes. Und der übersichtlichen Anordnung des Lieferumfangs im soliden Kasten. Verbunden mit der Erkenntnis, dass ich künftig meine Kollegen vorher fragen werde, eh ich versuche, sie mit technischen Tools zu überraschen und zu begeistern: Schuster, bleib bei deinen Leisten…

 








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