Juni 2015:
In der letzten Saison hatten mich Continentals TrailAttack 2
an meiner BMW R 1200 GS „Travel-Q-ueen“ bereits im Straßeneinsatz
überzeugen können. Daher wurde ich hellhörig, als der gleiche Hersteller
im Spätherbst bekanntgab, dass er mit der Einführung des TKC 70 ein
neues Segment quasi unterhalb des „echten“ Stollenreifens TKC 80
ansprechen wolle, in dem bislang vor allem der Platzhirsch aus dem
ostdeutschen Heidenau-Werk gefragt war: Der K60 Scout gilt unter
Reiseenduristen mit wechselndem Straßen- und Gelände-Einsatz als die
eierlegende Wollmilchsau, die sich fast keine Schwäche leistet.
Für
die einzige, wenn man es Schwäche nennen will, sorgte dann eher die zum
Frühjahr 2015 hin wieder in Erinnerung gebrachte Rechtslage im
beliebten Motorrad-Reiseland Italien: Hier ist es während der
Sommermonate nicht gestattet, mit Reifen zu fahren, die eine M+S-Kennung
ausweisen und deren Geschwindigkeitsindex die zulässige
Höchstgeschwindigkeit des Motorrads unterschreitet. Bei einem bis 160
km/h begrenzten Geschwindigkeitsindex bedeutet der K60 Scout somit für
die Fahrer von großen Reise-Enduros in der Stiefel-Republik während der
Hauptreisezeit mit dem Motorrad ein Diskussionsrisiko mit den örtlichen
Ordnungshütern bei unsicherem Ausgang.
Damit
hat der TKC 70 von Continental allein von der Papierform bereits an
einer Stelle die Nase vorn: Er ist trotz M+S-Kennung mit einem
Geschwindigkeitsindex bis 240 km/h versehen und wird damit auch
kritische Blicke italienischer Carabinieri in ein zufriedenes Lächeln
verwandeln können. Aber wird er das auch bei seinem Fahrer schaffen?
Schauen wir uns dazu zunächst an, welche Eigenschaften ihm von seinem Hersteller zugeschrieben werden:
"Vereint die Erfahrung des Geländereifens TKC 80 und des Straßen-Enduro-Reifens ContiTrailAttack 2
- Brandneuer Conti-Reifen, der durch rustikalen Off-Road Look und ausgewogene Straßenperformance besticht
- Einziger geländetauglicher Trail-Reifen in Radialbauweise – Handmade in Germany
- TKC 70 ist positioniert für 60 Prozent Straße und 40 Prozent Offroad-Einsatz
- Durch eine nur geringe Klotzbewegung im Profil läuft der TKC 70 auf der Straße stabil und angenehm leise
- Agil auf der Straße und sicher auf Schotter
- MultiGrip: Continentals eigene Semi-Dual-Compound Technologie ermöglicht unterschiedliche Härtegrade auf der Lauffläche und den Seitenwänden (höhere Kilometerleistung und mehr Grip)
- RainGrip: Neue Gummimischung mit ausgezeichnetem Grip-Niveau bei nassen Verhältnissen und sehr kurze Warmlaufphase
- Die 0°-Stahlgürtelkonstruktion sorgt für eine hohe Stabilität und geringe Kickbackneigung"
Mit
dieser Ausrichtung auf einen Mix aus überwiegend Straßeneinsatz aber
auch einem kleineren Anteil von Strecken abseits befestigter Fahrbahnen
scheint er wie geschaffen für mein Einsatzgebiet. Insbesondere vor dem
Hintergrund der für den Mai geplanten Balkanrunde „Balkanska Ruta“
inclusive einiger Schotterpassagen in den albanischen Alpen kam mir
dieser Pneu dann Mitte Februar gerade Recht, als ich ihn wieder von
Carlo, meinem Freund und Inhaber der zuverlässigen Werkstatt Pfiffikus im Berliner Norden habe aufziehen lassen.
Bereits
dabei fällt auf, dass der TKC 70 über ein asymmetrisches Profil ohne
durchgehende mittlere Profillinie verfügt. Von diesem asymmetrischen
Profil verspricht man sich einerseits eine etwas größere Laufruhe des
Reifens auf befestigten Straßen. Während echte Stollenreifen hier doch
ziemlich grob und oftmals unruhig polternd unterwegs sind, soll so etwas
mehr Laufruhe erzeugt werden. Dennoch lässt das deutliche
Negativ-Profil auch Hoffnung aufkeimen, auf schlüpfrigen Waldwegen nicht
so schnell zu kapitulieren, wie das reine Straßenreifen tun.
Schon
auf den ersten Kilometern vermitteln die TKC 70 ein gutes, sicheres
Gefühl. Sie sind auf glatten Straßen deutlich lauter, als man es von
Straßenreifen kennt, und wirken dabei auch gröber, nicht so seidig. Aber
das ist auch genau das, was man bei diesem auch für leichte
Offroad-Strecken konzipierte Profil ebenso erwarten darf wie muss.
Tatsächlich
lenken sie sehr gut ein und geben dem Fahrer klare Rückmeldung. Nicht
zuletzt auf meiner „Balkanska Ruta“ habe ich sie mittlerweile innerhalb
von gut drei Monaten mehr als 7000 km bei unterschiedlichen
Temperaturen, sowie bei Sonne und auch verschieden starken Regenfällen
genutzt. Dabei sind sie mit jeder Situation äußerst souverän fertig
geworden und haben weder in Bezug auf den Bremsweg noch auf das
Einlenkverhalten oder die Haftung je geschwächelt. Für einen Reifen, mit
dem man sich auch abseits befestigter Straßen bewegen können soll, sind
sie geradezu erstaunlich überzeugend onroad unterwegs.
Was
den Offroad-Ansatz angeht, muss ich einschränken, dass ich meine
Travel-Q-ueen nicht nutze, um harte und anspruchsvolle Offroad-Strecken
damit zurückzulegen. Auch wenn es genügend Beispiele anderer Fahrer
gibt, die beweisen, dass man so etwas auch mit den großen GS-Modellen
machen kann, bin ich kein Freund davon. Für mich haben Reise-Enduros im
Vergleich zu reinen Straßenmotorrädern den Vorteil, dass ich auch in
weniger belebten Gegenden und insbesondere bei qualitativ deutlich
schlechteren Straßenverhältnissen, als wir sie hier in Deutschland
überwiegend kennen, gut und sicher vorankommen kann. Nicht zuletzt vor
knapp zwei Jahren auf meiner „Carpe Carpati“
habe ich in den ukrainischen und rumänischen Karpaten mehrfach
bezweifelt, mit meinem damaligen Reisedampfer, einer R1150 RT mit fast
300 kg Lebendgewicht, richtig aufgestellt zu sein.
Jetzt
konnte ich mich auch bei sich plötzlich massiv verschlechternden
Straßenverhältnissen in den albanischen Alpen beruhigt weiterfahren,
weil Maschine und Bereifung klaglos jede Buckelpiste, jeden
(Kalk-)Sandweg und auch Schotterpassagen beispielsweise auf der
slowenischen Grenzkammstraße wie selbstverständlich mitgemacht haben.
Auch
einige bereits vor der Reise durchgeführte Ausritte auf nasse und
durchgeweichte Waldwege Brandenburgs haben die TKC 70 mit ausreichend
Grip bestens gemeistert.
Was
mich insgesamt dann noch überzeugt, ist die Haltbarkeit: Nach über 7000
km absolvierter Strecke ist das Profil um ein knappes Drittel
verringert. Auch wenn bekanntlich die oberen Schichten der Gummimischung
bei vielen Reifen härter ausgestaltet sind als die darunter liegenden,
darf ich hier bei den TKC 70 sicherlich noch mit weiteren 4- bis 8000 km
rechnen. Damit bewegen sich die Conti-Pneus auch in Sachen Haltbarbeit
in der Liga des bisherigen TOP-Favoriten der Reiseenduristi und braucht
sich auch hier keinesfalls zu verstecken.
In
der Zusammenfassung aller gezeigten Eigenschaften auf trockenen und
nassen Straßen, Sandwegen und Schotterpassagen sowie in puncto
Langlebigkeit haben mich die TKC 70 vollständig überzeugt. Zwar habe ich
mit den TrailAttack2 noch die ebenfalls mit reichlich Restprofil
versehenen Vorgänger in der Garage liegen und wollte sie eigentlich nach
absolviertem Test der TKC 70 wieder bei meiner „Travel-Q-ueen“
aufziehen, aber mittlerweile bin ich mir da nicht so sicher: Es könnte
gut sein, dass ich dann meinem neuen Favoriten, dem TKC 70 mit 5 von 5
möglichen LikeBikes und einem Motorrad-Tourer.com-Tipp! nachtrauere...
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