Samstag, 1. Oktober 2016

Produktvorstellung Reifen: Continental TKC 70

Juni 2015:

In der letzten Saison hatten mich Continentals TrailAttack 2 an meiner BMW R 1200 GS „Travel-Q-ueen“ bereits im Straßeneinsatz überzeugen können. Daher wurde ich hellhörig, als der gleiche Hersteller im Spätherbst bekanntgab, dass er mit der Einführung des TKC 70 ein neues Segment quasi unterhalb des „echten“ Stollenreifens TKC 80 ansprechen wolle, in dem bislang vor allem der Platzhirsch aus dem ostdeutschen Heidenau-Werk gefragt war: Der K60 Scout gilt unter Reiseenduristen mit wechselndem Straßen- und Gelände-Einsatz als die eierlegende Wollmilchsau, die sich fast keine Schwäche leistet.


Für die einzige, wenn man es Schwäche nennen will, sorgte dann eher die zum Frühjahr 2015 hin wieder in Erinnerung gebrachte Rechtslage im beliebten Motorrad-Reiseland Italien: Hier ist es während der Sommermonate nicht gestattet, mit Reifen zu fahren, die eine M+S-Kennung ausweisen und deren Geschwindigkeitsindex die zulässige Höchstgeschwindigkeit des Motorrads unterschreitet. Bei einem bis 160 km/h begrenzten Geschwindigkeitsindex bedeutet der K60 Scout somit für die Fahrer von großen Reise-Enduros in der Stiefel-Republik während der Hauptreisezeit mit dem Motorrad ein Diskussionsrisiko mit den örtlichen Ordnungshütern bei unsicherem Ausgang.


Damit hat der TKC 70 von Continental allein von der Papierform bereits an einer Stelle die Nase vorn: Er ist trotz M+S-Kennung mit einem Geschwindigkeitsindex bis 240 km/h versehen und wird damit auch kritische Blicke italienischer Carabinieri in ein zufriedenes Lächeln verwandeln können. Aber wird er das auch bei seinem Fahrer schaffen? Schauen wir uns dazu zunächst an, welche Eigenschaften ihm von seinem Hersteller zugeschrieben werden:

"Vereint die Erfahrung des Geländereifens TKC 80 und des Straßen-Enduro-Reifens ContiTrailAttack 2

  • Brandneuer Conti-Reifen, der durch rustikalen Off-Road Look und ausgewogene Straßenperformance besticht
  • Einziger geländetauglicher Trail-Reifen in Radialbauweise – Handmade in Germany
  • TKC 70 ist positioniert für 60 Prozent Straße und 40 Prozent Offroad-Einsatz
  • Durch eine nur geringe Klotzbewegung im Profil läuft der TKC 70 auf der Straße stabil und angenehm leise
  • Agil auf der Straße und sicher auf Schotter
  • MultiGrip: Continentals eigene Semi-Dual-Compound Technologie ermöglicht unterschiedliche Härtegrade auf der Lauffläche und den Seitenwänden (höhere Kilometerleistung und mehr Grip)
  • RainGrip: Neue Gummimischung mit ausgezeichnetem Grip-Niveau bei nassen Verhältnissen und sehr kurze Warmlaufphase
  • Die 0°-Stahlgürtelkonstruktion sorgt für eine hohe Stabilität und geringe Kickbackneigung"

Mit dieser Ausrichtung auf einen Mix aus überwiegend Straßeneinsatz aber auch einem kleineren Anteil von Strecken abseits befestigter Fahrbahnen scheint er wie geschaffen für mein Einsatzgebiet. Insbesondere vor dem Hintergrund der für den Mai geplanten Balkanrunde „Balkanska Ruta“ inclusive einiger Schotterpassagen in den albanischen Alpen kam mir dieser Pneu dann Mitte Februar gerade Recht, als ich ihn wieder von Carlo, meinem Freund und Inhaber der zuverlässigen Werkstatt Pfiffikus im Berliner Norden habe aufziehen lassen.


Bereits dabei fällt auf, dass der TKC 70 über ein asymmetrisches Profil ohne durchgehende mittlere Profillinie verfügt. Von diesem asymmetrischen Profil verspricht man sich einerseits eine etwas größere Laufruhe des Reifens auf befestigten Straßen. Während echte Stollenreifen hier doch ziemlich grob und oftmals unruhig polternd unterwegs sind, soll so etwas mehr Laufruhe erzeugt werden. Dennoch lässt das deutliche Negativ-Profil auch Hoffnung aufkeimen, auf schlüpfrigen Waldwegen nicht so schnell zu kapitulieren, wie das reine Straßenreifen tun.


Schon auf den ersten Kilometern vermitteln die TKC 70 ein gutes, sicheres Gefühl. Sie sind auf glatten Straßen deutlich lauter, als man es von Straßenreifen kennt, und wirken dabei auch gröber, nicht so seidig. Aber das ist auch genau das, was man bei diesem auch für leichte Offroad-Strecken konzipierte Profil ebenso erwarten darf wie muss.


Tatsächlich lenken sie sehr gut ein und geben dem Fahrer klare Rückmeldung. Nicht zuletzt auf meiner „Balkanska Ruta“ habe ich sie mittlerweile innerhalb von gut drei Monaten mehr als 7000 km bei unterschiedlichen Temperaturen, sowie bei Sonne und auch verschieden starken Regenfällen genutzt. Dabei sind sie mit jeder Situation äußerst souverän fertig geworden und haben weder in Bezug auf den Bremsweg noch auf das Einlenkverhalten oder die Haftung je geschwächelt. Für einen Reifen, mit dem man sich auch abseits befestigter Straßen bewegen können soll, sind sie geradezu erstaunlich überzeugend onroad unterwegs.


Was den Offroad-Ansatz angeht, muss ich einschränken, dass ich meine Travel-Q-ueen nicht nutze, um harte und anspruchsvolle Offroad-Strecken damit zurückzulegen. Auch wenn es genügend Beispiele anderer Fahrer gibt, die beweisen, dass man so etwas auch mit den großen GS-Modellen machen kann, bin ich kein Freund davon. Für mich haben Reise-Enduros im Vergleich zu reinen Straßenmotorrädern den Vorteil, dass ich auch in weniger belebten Gegenden und insbesondere bei qualitativ deutlich schlechteren Straßenverhältnissen, als wir sie hier in Deutschland überwiegend kennen, gut und sicher vorankommen kann. Nicht zuletzt vor knapp zwei Jahren auf meiner „Carpe Carpati“ habe ich in den ukrainischen und rumänischen Karpaten mehrfach bezweifelt, mit meinem damaligen Reisedampfer, einer R1150 RT mit fast 300 kg Lebendgewicht, richtig aufgestellt zu sein.


Jetzt konnte ich mich auch bei sich plötzlich massiv verschlechternden Straßenverhältnissen in den albanischen Alpen beruhigt weiterfahren, weil Maschine und Bereifung klaglos jede Buckelpiste, jeden (Kalk-)Sandweg und auch Schotterpassagen beispielsweise auf der slowenischen Grenzkammstraße wie selbstverständlich mitgemacht haben.


Auch einige bereits vor der Reise durchgeführte Ausritte auf nasse und durchgeweichte Waldwege Brandenburgs haben die TKC 70 mit ausreichend Grip bestens gemeistert.


Was mich insgesamt dann noch überzeugt, ist die Haltbarkeit: Nach über 7000 km absolvierter Strecke ist das Profil um ein knappes Drittel verringert. Auch wenn bekanntlich die oberen Schichten der Gummimischung bei vielen Reifen härter ausgestaltet sind als die darunter liegenden, darf ich hier bei den TKC 70 sicherlich noch mit weiteren 4- bis 8000 km rechnen. Damit bewegen sich die Conti-Pneus auch in Sachen Haltbarbeit in der Liga des bisherigen TOP-Favoriten der Reiseenduristi und braucht sich auch hier keinesfalls zu verstecken.


In der Zusammenfassung aller gezeigten Eigenschaften auf trockenen und nassen Straßen, Sandwegen und Schotterpassagen sowie in puncto Langlebigkeit haben mich die TKC 70 vollständig überzeugt. Zwar habe ich mit den TrailAttack2 noch die ebenfalls mit reichlich Restprofil versehenen Vorgänger in der Garage liegen und wollte sie eigentlich nach absolviertem Test der TKC 70 wieder bei meiner „Travel-Q-ueen“ aufziehen, aber mittlerweile bin ich mir da nicht so sicher: Es könnte gut sein, dass ich dann meinem neuen Favoriten, dem TKC 70 mit 5 von 5 möglichen LikeBikes und einem Motorrad-Tourer.com-Tipp! nachtrauere...










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