Nachdem der folgende Reisebericht im Printbereich der Bikerbörse
abgedruckt wurde, möchte ich ihn auch hier online veröffentlichen:
Mit
dem Motorrad in die Berge, das ist für uns Berliner und Brandenburger
leider nichts für eine kleine Feierabendrunde. Aber wer mal ein
verlängertes Wochenende zur Verfügung hat, kann durchaus auf seine
Kosten kommen. In nur wenig mehr als zwei Stunden Anreisezeit liegt mit
dem Thüringer Wald ein äußerst interessantes Ziel fast schon vor unserer
Haustür. Dabei muss man sich nicht nur auf gut ausgebaute Straßen und
das kurvige Überwinden zahlreicher Höhenmeter beschränken: Thüringen hat
ein viel breiteres Spektrum zu bieten, wie ich zusammen mit Simone
Gottwald, der Inhaberin vom motorradhotel-berlin.de, im wahrsten Sinn
des Wortes auf einer viertägigen Rundreise erfahren durfte.
Wir
haben zur Zeitersparnis die Anfahrt über die BAB 9 gewählt, um diese
bei Weißenfels zu verlassen. Anschließend steuern wir direkt das
sachsen-anhaltinische Naumburg mit dem berühmten Dom an: Passionierte
Fans von Kreuzworträtseln kennen die Naumburger Domfigur mit drei
Buchstaben bestens. Ein Besuch dieses Doms bietet sich aufgrund seiner
architektonischen Besonderheiten an: Wo sonst findet man schon skurril
zu bezeichnende Verzierungen an Treppengeländern, die man am wenigsten
in einer Kirche erwarten würde? Aber auch der Epochenwechsel, der
während der Bauphase stattfand und noch heute an den unterschiedlichen,
sich quasi entwickelnden Fenstern nachvollziehbar ist, können
Entdeckerlust während des ersten Stopps schüren.
Fast
müssen wir uns zwingen, wieder auf das vor dem Dom abgestellte Motorrad
zu steigen, so sehr lockt die sich am Fuße des Bauwerks anschließende
Fußgängerzone mit gemütlichen Cafés und Geschäften, die zum Flanieren
einlädt. Aber wir haben ja noch einiges vor, so dass zügig die Strecke
in Richtung Apolda und Jena in Angriff genommen wird. Hier erwarten uns
erste Hügel, zwischen denen wir uns auf unserem Reisedampfer
hindurchschlängeln. Nach dem ersten vorsichtigen Vorgeschmack, was uns
auf den folgenden Kilometern erwarten wird, mahnt uns schon bald
aufkeimender Hunger, dass wir auch das leibliche Wohl nicht zu kurz
kommen lassen dürfen.
Wie
gerufen kommt dann die Papiermühle in Jena, die neben einem gemütlichen
Pensionsbetrieb vor allem mit einem Restaurant mit typischen Thüringer
Gerichten und einer eigenen Brauerei zu punkten versteht: Eigentlich
sollte man hier besser am Ende einer Etappe einkehren, um die Vielfalt
des hier gebrauten Jenaer Bieres probieren zu können. Nach einer
alkoholfreien und nahrhaften wir schmackhaften Mittagspause nehmen wir
wieder Kurs Südwest. Nach einem Schlenk über Arnstadt und seine
bezückende Altstadt fahren wir nach Erfurt, der Hauptstadt Thüringens.
Allein
hier könnte man gut mehrere Tage verbringen, um dem Kulturreichtum
gerecht zu werden. Natürlich bestaunen wir auch hier den Dom, neben dem
auf dem Domberg thronend gleich eine weitere Kirche sich gegen den
Himmel des Spätnachmittags am oberen Ende der langen Treppe abzeichnet.
Uns lockt es aber in die liebevoll restaurierte Altstadt mit ihren
Kleinoden, so zum Beispiel dem Waidhaus: Nur wenigen dürfte bekannt
sein, dass im Umland von Erfurt lange Zeit ein Zentrum der
Färbeindustrie existierte.
Natürlich
spazieren wir auch über die Krämerbrücke, die längste zusammenhängende
bebaute Brücke. Wir merken es kaum, so faszinieren uns die kleinen
Lädchen, die den Straßenverlauf schmücken. Und wer die Zeit dazu findet,
dem sei der Besuch der feinen Schokoladen- und Pralinenmanufaktur am
Ende der Brücke wärmstens empfohlen: Selbstgemachte Schokoladen
unterschiedlichster Geschmäcker und in verschiedensten Formen
verursachen wonnig verdrehte Augen. Ist es eigentlich ein Vor- oder ein
Nachteil, dass in den Motorradkoffern kaum Platz ist, um Mitbringsel zu
verstauen?
Bekanntlich haben im heutigen Thüringen zahlreiche deutsche Künstler, insbesondere Komponisten und
Literaten, gelebt. So ist es auch nicht verwunderlich, dass während
unserer Rundreise die Thüringer Bach-Wochen stattfinden: Wir nutzen die
Gelegenheit, um die kulturelle Vielfalt dieser Region in der Mitte
Deutschlands um den Genuss eines Bach-Konzert zu erweitern.
Abends
steuern wir dann mit dem Hotel Burg Edelhof in Großliebringen, einem
kleinen Örtchen bei Ilmtal im Thüringer Wald, unsere erste Unterkunft
an. Uns fasziniert die mittelalterliche Atmosphäre dieser ältesten
Wasserburg Thüringens, bei der die Veranstaltungs- und Wirtsräume in den
Gewölben der unteren Etage besonders beeindrucken. Hier sind sogar
spektakuläre Trauungen mit anschließender Feier unter der Gewölbedecke
der urigen Tanzbar möglich. Mit dem großen Platz unmittelbar vor dem
Eingang bietet sich dieses Haus insbesondere für größere Gruppen von
Motorradfahrern als gut gelegene Unterkunft an.
Für
den zweiten Tag unserer Rundreise haben wir uns einiges vorgenommen:
Zunächst steuern wir über den Rennsteig und vorbei an Ohrdruf und dem
immer besonders kalten Friedrichroda (Zitat eines Einwohners: „Wir haben
zwar in jedem Jahr elf Monate Winter, aber ansonsten ist die ganze Zeit
über Sommer“) Eisenach an. Die schon von weitem sichtbare Wartburg
steht selbstverständlich auf unserem Programm. Nicht nur die
beeindruckende Gebäudegestaltung (sehr selten ist eine Gebäudewand
gleichzeitig auch Außenwand einer Burg), sondern vor allem auch die
Führung durch die unterschiedlichen Räumlichkeiten dieser historischen
Stätte sprechen uns an. Natürlich suchen auch wir nach dem Tintenfleck,
der von Luthers Wurf eines Tintenfasses nach dem Teufel in seinem Zimmer
zeugen soll.
Einen
Geheimtipp nutzend besuchen wir dann zur Stärkung den Gasthof
Storchenturm in der Nähe der größten zusammenhängenden
Jugenstil-Altstadt Eisenachs: Der Wirt und Pensionsbetreiber Peter
Arends ist selbst passionierter Motorradfahrer, der schon so manche Tour
als Guide begleitet hat. Er verzückt uns mit sagenhaft gut zubereiteten
Ochsenbäckchen und lehrt uns, dass Thüringer Klöße nicht aufgeschnitten
sondern mit Messer und Gabel aufgebrochen werden.
Anschließend
lenke ich den Reisedampfer südwärts. Auf belebten Straßen und diesmal
eher weniger hügelig ist Meiningen unser nächstes Ziel. Diese Kleinstadt
hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich entwickelt. Wir finden
liebevoll restaurierte Fassaden historischer Gebäude, denen man ihre
wechselvolle Geschichte kaum mehr ansieht. So passt es dann auch genau
ins Bild, dass ich für unsere nächste Unterkunft Kontakt mit Uwe Klein
aufgenommen hatte. Der gelernte Gastronom und Hotelier betreibt
mittlerweile mehrere Hotels und Herbergen in Meiningen, denen eines
gemeinsam ist: Sie befinden sich alle in alten, für die Stadt
bedeutungsvollen Gebäuden. Diese hat Uwe Klein von Grund auf saniert und
mit allen heute zeitgemäßen Annehmlichkeiten ausgestattet. In seinen
Meininger Hotels mit Flair, die er überraschenderweise mit dem
außergewöhnlichen Konzept einer Stiftung betreibt, kann er je nach
Auswahl des Hauses sowohl verschiedene Komfortansprüche als auch
unterschiedliche finanzielle Möglichkeiten seiner Gäste bedienen: Von der Jugendherberge bis zum Schlosshotel deckt er die gesamte Spannbreite ab.
Natürlich
lassen wir uns die Gelegenheit nicht durch die Lappen gehen und
verbringen die nächste Nacht in einem kreisrunden und mit antikem
Mobiliar ausgestatteten Turmzimmer von Schloss Landsberg, auf einem
Berggipfel über der Stadt thronend. Hier erfahren wir einiges über die
jahrhundertelange Geschichte dieses Hauses, bevor der zweite Tag unserer
mit vielen Eindrücken gespickten Reise zu Ende geht.
Gestärkt vom abwechslungsreichen Frühstück im Schloss Landsberg starten wir in den dritten Tag unserer Motorrad-Rundreise durch Thüringen.
Wer
über den Thüringer Wald spricht, denkt schnell auch an Suhl, die
Kleinstadt mitten drin in den bewaldeten Erhebungen des Mittelgebirges.
Motorradfreunde verbinden mit Suhl auch ein Stück ostdeutscher
Fahrzeuggeschichte: Das Traditionsunternehmen AWO nahm unter russischem
Einfluss schon Anfang der 50er Jahre den Bau von Kleinkrafträdern auf,
bevor der Unternehmensname später in das heute noch bestens bekannte
Simson umgewandelt wurde. Neben der kürzlich noch im Dresdner
Verkehrsmuseum organisierten Privatausstellung historischer
AWO-Motorräder zählt natürlich und vor allem das Fahrzeugmuseum Suhl zu
den Orten, denen ein Motorradfan in Thüringen einen Besuch unbedingt
abstatten sollte. Wir haben das Glück, dass sich der Museumsdirektor
Joachim Scheibe, früher selbst ein leitender Angestellter des
Simson-Werks, für uns Zeit nimmt. Interessant und spannend versteht er
es, uns diesen Teil der deutsch-deutschen Geschichte des gegenseitigen
Beobachtens und voneinander Lernens bei der Weiterentwicklung von
Motorrädern nahe zu bringen. Die umfangreiche Ausstellung äußerst gut
erhaltener Fahrzeuge lohnt darüber hinaus einen Besuch allemal.
Aber
nicht nur als langjährige Quelle von Motorrädern, die das Verkehrsbild
in der früheren DDR wesentlich prägten und auch heute noch zahlreiche
Fans haben, hat sich Suhl einen Namen gemacht: Auch unter Waffenfreunden
verursacht allein die Nennung dieses Städtenamens ein Zungenschnalzen.
So verwundert es denn auch nicht, dass wir der Versuchung nicht
widerstehen können das nur wenige Meter neben dem Fahrzeugmuseum
befindliche Waffenmuseum ebenfalls aufzusuchen. Auch hier sind wir wir
von der Präzision und Vielfalt der Handwerkskunst sowie den zahlreichen
Einsatzmöglichkeiten ihrer Produkte angetan.
Nach
den vielen Eindrücken bisher beschließen wir dann, dass nun das
Motorradfahren wieder im Vordergrund stehen soll. So machen wir uns denn
mit östlichem Kurs auf, um den Thüringer Wald zu durchqueren. Wir
kreuzen auf geschlungenen Straßen und Wegen den Rennsteig des öfteren
und verlieren bei dem ständigen Auf und Ab, den unzähligen Kurven und
Kehren fast die Orientierung. Gut, dass wir die geplante Route in das
Navi eingespeist haben und daher um so mehr die schöne und
abwechslungsreiche Landschaft genießen können.
Manchmal
tauchen wir auf den gewundenen Sträßchen völlig überraschend in einen
Blätterdachtunnel ein. Dann wird es plötzlich dunkel und das
Sonnenvisier will zügig nach oben geschoben werden. Kühl wird es in
diesen Momenten und feuchter, intensiver Waldgeruch umgibt uns.
Unterbrochen werden diese Eindrücke, wenn wir in die Wärme zwischen
Sonnenblumenfeldern hinausfahren und die Augen wegen der gleißenden
Farben des strahlend blauen Himmels und der leuchtenden Felder zusammenkneifen müssen.
Wir
schlängeln uns an kleinen Gewässern entlang und steuern die Saalfelder
Feengrotten an. Leider kommen wir wie in einem schlechten Film kurz nach
einem Reisebus an, der wahre Massen von Besuchern ausgespuckt hat und
unsere Wartezeit in den sonnenerhitzten Kombis inakzeptabel verlängert:
Diese Sehenswürdigkeit bleibt für uns einem weiteren Besuch vorbehalten,
während wir weiter nach Ostthüringen fahren.
Hier wartet ein weiteres Highlight auf Motorrad-Fans:
Die Rennstrecke am Schleizer Dreieck wird nach wie vor regelmäßig für
Motorradrennen genutzt und hat nichts von ihrem geschichtsträchtigen
Glanz eingebüßt. Erneut haben wir Glück, denn unsere Wirtsleute für die
folgende Nacht sind seit Kindheit in der Region ansässig, geradezu
verrückt zu nennende Fans von Motorradrennen und nebenbei auch technisch
in Bezug auf diverse Reparaturen, Lackierungen und sonstige
Fahrzeugverbesserungen sehr beschlagen.
Mit
dem Hotel Piccolo in Schleiz-Gräfenwarth betreibt die Familie Eismann
eine Unterkunft, die ihren Namen zu Recht trägt: Nur 6 ganz individuell
gestaltete Zimmer stehen hier zur Verfügung und verwöhnen die Gäste mit
Gemütlichkeit. Der Innenhof lädt mit lauschigen Sitzplätzen ein, an
denen man sich wieder den Leckereien der thüringischen Küche widmen
kann. Welch Überraschung, die sich dann beim zwischenzeitlichen
Aufsuchen der Örtlichkeit einstellt – mehr sei hier nicht verraten...
Lange sitzen wir an diesem Abend mit den sympathischen Inhabern zusammen
und tauschen unsere Erlebnisse aus, bevor uns die Müdigkeit nach einem
wieder erlebnisreichen Tag übermannt.
Schneller
als gedacht ist dann auch schon der letzte Tag unserer
Thüringen-Rundreise angebrochen. Nach kurzer Abstimmung sind wir uns
einig: Auch wenn die Göltzschtalbrücke nicht mehr in Thüringen sondern
im unmittelbar angrenzenden sächsischen Vogtland liegt, möchten wir auch
diese Eindrücke mitnehmen. Immerhin ist dieses imposante Bauwerk die
größte vollständig aus Ziegelsteinen gemauerte Eisenbahnbrücke.
Von
dort aus treten wir dann den Rückweg an, der uns zunächst wieder in
Richtung Jena führt. Auch anschließend verzichteten wir nun auf die
Autobahn und begleiteten sie lieber über die mehr oder weniger parallel
laufenden Landstraßen, vorbei an der Burg Rabenstein bis Beelitz und von
dort auf bekannten Pfaden wieder heimwärts.
Was
bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich ein Thüringen-Besuch mit dem
Motorrad schon für ein verlängertes Wochenende lohnt, aber dass deutlich
mehr Zeit notwendig ist um die landschaftliche und kulturelle Vielfalt
dieser Region ausschöpfen zu können. Der nahende Herbst mit seinen
Farbenspielen in den Bäumen dürfte sich dazu bestens anbieten: Nach
Summerfeeling lockt uns nun der Indian Summer nach Thüringen – wir sehen
uns – an dem einen oder anderen Wochenende!
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