Juni 2015:
Nachdem wir uns in diesem Jahr schon mit dem Touratech Aventuro Carbon
dem Adventure-Bereich unter den Helmen zugewandt haben, war klar, dass
uns nun auch im Vergleich weitere Modelle interessieren würden. Als
nächstes stand das GS-Modell von BMW auf unserer Wunschliste.
So
freuen wir uns, dass auch dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist und
wir nun seit einigen Wochen dieses immerhin 560 Euro teure Modell unter
die Lupe nehmen können. Schauen wir uns zunächst an, welche
Eigenschaften ihm der Hersteller selbst mit auf den Weg gibt:
"Der
an die Offroad-Szene angelehnte Helm GS besticht durch sein sehr
sportliches Design. Durch die Auswahl einer Carbonhelmschale in
Verbindung mit den für BMW typischen integrierten Nackenbändern bietet
er maximale Sicherheit für seinen Fahrer. Für bestmöglichen Fahrkomfort
wurde die Kombination aus Helmschild und Spoiler im Windkanal
aerodynamisch optimiert.
- Endurohelm mit faserverstärkter Helmschale aus 100 % Carbonfaser
- Dämpfende EPS-Innenschale
- Aerodynamisch optimierter, abnehmbarer Helmschild
- Aerodynamisch wirksamer Spoiler
- Sehr effektives Belüftungssystem im gesamten Kopfbereich
- Kinnteil-/Visierbelüftung mit Kinnklappe verschließbar
- Kinnklappe abnehmbar für freie Durchströmung beim Offroad-Fahren (mit Staubfilter)
- Doppelscheibenvisier für optimale Anti-Beschlagwirksamkeit, Außenscheibe beidseitig kratzfest beschichtet
- Herausnehm- und waschbares Komfortpolster
- Nackenbänder für sicheren Sitz des Helms
- Niedriges Gewicht
- Homologiert nach ECE 22-05
- Vorbereitung BMW Motorrad Kommunikationssystem
- Optimal kombinierbar mit BMW Motorrad Neck Brace System"
Insbesondere
im direkten Vergleich zu dem neuen Touratech-Helm fällt uns dann so
einiges auf, was die beiden unterscheidet. Und da rede ich nicht vom
Design, das nach meinem Geschmacksempfinden in beiden Fällen sehr
gelungen ist. Mir geht es mehr um die Unterschiede bei der funktionalen
Ausstattung.
Vorbildlich
empfinden wir die serienmäßige Ausstattung des BMW-Helms mit einem
Doppelscheiben-Visier. Dagegen sucht man beim GS-Modell Halterungen für
Action-Cams oder dgl. vergeblich. Hier ist das Konkurrenzmodell aus dem
Schwarzwald deutlich moderner und an vielfach vertretenen Kundenwünschen
orientiert. Das gleiche gilt im Übrigen für eine Halterung von
Enduro-Brillen: Eine solche werden Abenteuerlustige am GS-Modell
vebenfalls nicht finden.
Aber
auch bei der eher „klassischen“ Helmausstattung gibt es deutliche
Unterschiede: Schon beim Auspacken fällt mir auf, dass beim BMW-Modell
das weit vorgezogene Enduro-Kinnteil ohne Windabweiser auskommen muss:
Hier findet der Fahrtwind reichlich Platz, um durch Einströmen von unten
in den Helm neben einer ordentlichen Belüftung auch für eine
wahrnehmbare Geräuschkulisse zu sorgen.
Darüber
hinaus ist eine individuelle Anpassung des Polsters an die Kopfform
beim GS-Modell nicht vorgesehen, anders als beim Touratech-Modell und
dessen mitgelieferte Anpassungspads.
Auch
bei BMW will man mir mit dem Verzicht auf eine integrierte Sonnenblende
keinen Gefallen tun und vertraut stattdessen allein auf einen
Sonnenschirm. Dieser ist mit drei Schrauben, die sich mit einer Münze
heraus- und hereindrehen lassen, ausgestattet.
Holt
man den Helm aus seiner Verpackung, stellt sich sofort der Eindruck
ein, dass dieses Modell bestens verarbeitet ist: Keine scharfen Kanten
sind zu finden, das Polster schließt geradezu perfekt mit der Helmschale
ab und auch das in vier Stufen rastende Visier schließt bündig ab. Wird
man neben dem luftigen Kinn-Unterteil überhaupt die zusätzliche
Belüftungsmöglichkeit an der Vorderseite des Kinnbügels benötigen?
Dieses ist auch so gestaltet, dass es vor allem bei geschlossenem Visier
Nutzen verspricht, wenn der Teil der am Visier nach unten abströmenden
Luft über die kleine Öffnung ins Helminnere geführt wird. Zusätzlich
lässt sich diese Klappe vollständig entfernen, um an besonders heißen
Tagen für zusätzliche Luftzufuhr zu sorgen.
Beim
Aufsetzen des Helmes gibt es dann die ersten nicht ganz zufriedenen
Gesichter: Zufälligerweise haben mehrere Redaktionsmitglieder von
Motorrad-Tourer.com die gleiche Kopf- und damit auch Helmgröße, so dass
wir die Passform nicht nur auf eine einzelne Person fokussiert
betrachten können. Aber mit dem Problem, das ich habe, bin ich nicht
allein: Im Bereich der Wangenpolster sitzt die Größe L bei mir sehr
knapp, eigentlich schon zu knapp. Nach längerer Fahrzeit ertappe ich
mich dabei, wie ich mir mit der Zeit immer häufiger von innen auf die
Wangen beiße, wenn ich den Mund ein wenig öffne und schließe. Hier ist
die gelieferte Größe tatsächlich einen Hauch zu klein.
Andererseits
merke ich, wie sich oberhalb der Ohren und auf dem Kopf Flächen
ergeben, bei denen ich mir einen engeren Sitz des Helmes wünschen würde.
Hier ist die gelieferte Größe für unsere Redaktions-Köpfe eher etwas zu
groß, so dass wir in unserem Team niemanden gefunden haben, dem das
GS-Modell perfekt passt.
Ansonsten
fühlt sich der Helm aufgesetzt zunächst ganz angenehm an. Als
regelmäßiger Klapphelmfahrer kommt mir das Gewicht eher gering vor und
auch die Größe des Sichtfeldes erscheint mir angenehm groß. Auch bei
Autobahnfahrten bis etwa 140 km/h wirkt der Sonnenschirm zumindest an
meiner 12er GS mit Adventure-Scheibe ausreichend fahrstabil und nicht
übermäßig laut. Danach zeigen sich ein paar kleinere Turbulenzen, die
empfehlen, sich für die schnell gefahrenen Strecken vorübergehend von
dem Sonnenvisier zu trennen.
Was
aber durchaus erheblich ist, ist die Geräuschkulisse durch Fahrtwind.
Hier merkt man dem BMW GS-Modell sehr deutlich an, dass es ohne
Windschutz im Kinnteil auskommen muss. Insoweit gibt es auch eine klare
Empfehlung des Teams von Motorrad-Tourer.com an den Hersteller, hier für
wenige Cent ein hocheffektives Stück luftdurchlässigen Stoff
einzuarbeiten, um den Helm etwas leiser werden zu lassen.
Da
sich Brillenbügel recht gut bei aufgesetztem Helm zwischen Kopf unf
Polster hindurchschieben lassen, sollten Brillenträger vor keine
größeren Probleme gestellt werden.
Überrascht
hat uns der Polsterstoff, der sich beim Aufsetzen wunderbar angenehm
weich anfühlt und auch atmungsaktiv sein soll: Wir können schwer
abschätzen, ob wir hier einen Einzelfall zum Testen bekommen haben, aber
unsere Haut schwitzt bei Kontakt mit diesem Wangenpolster deutlich
mehr, als wir das von anderen Helmen gewöhnt sind.
Was
bleibt als Fazit: Der BMW GS-Helm ist gewiss ein Accessoire, das
eingefleischten Freunden der gleichnamigen bayerischen Großenduros schon
allein zur Komplettierung ihrer ansonsten häufig auch aus dem gleichen
Haus kommenden Fahrerbekleidung dient. Und vor diesem Hintergrund können
wir auch den Stellenwert dieses Helmes einordnen.
Bei
dem ansonsten von BMW propagierten Anspruch (fast) alles ein klein
wenig besser machen zu wollen als die Konkurrenz, können wir hier aber
leider nur empfehlen, sich mal um einen Betriebsausflug in den
Schwarzwald zu kümmern: Bei in etwa gleicher Preishöhe ist das
Touratech-Modell das wesentlich umfangreicher ausgestattete und in der
Funktion (Windgeräusche, Umbaumöglichkeiten ohne Hilfsmittel, Qualität
der Polsterstoffe mit Hautkontakt) hat es nach unserem Empfinden zum
Teil sogar überraschend deutlich die Nase vorn. Allgemeiner Tenor im
Redaktionsteam zum GS-Helm: „Ja, ja, ist schon irgendwie ok...“
Demzufolge
wundert es auch nicht, dass – insbesondere unter Berücksichtigung des
Preis-Leistungsverhältnisses – für uns nicht mehr als 2 von möglichen 5
LikeBikes vertretbar sind.
UPDATE:
Nach
Veröffentlichung dieses Beitrags wurden wir in den sozialen Netzwerken
darauf hingewiesen, dass eigentlich sogar zwei einbaubare Stoffeinsätze
für das Kinnteil zur Serienausstattung des GS-Helms gehören sollen. Da
solche Einsätze und deren Wirkung auf die Geräuschentwicklung
tatsächlich Einfluss auf die Bewertung haben könnten, aber unserem
Testexemplar nicht beilagen, haben wir nun nochmals Kontakt mit dem
Hersteller aufgenommen und werden das Ergebnis dieser Nachfrage noch
nachreichen. Bis dahin müssen wir leider noch um einen Moment Geduld
bitten.
19.07.2015:
Zwischenzeitlich
sind die Windabweiser für den Helm GS bei uns eingetrudelt. Wie einige
Leser in den sozialen Netzwerken bereits erwähnten, handelt es sich
dabei um sogar zwei Exemplare für unterschiedliche
Witterungsverhältnisse. Der eine, dünnere Einsatz ist ganz
offensichtlich für die warmen Tage gedacht, während das dickere,
gepolsterte Exemplar eine leicht isolierende Wirkung bei niedrigen
Temperaturen erwarten lässt.
Tatsächlich
zeigt sich dann im Praxiseinsatz, wie wertvoll diese kleinen Tools ist:
Der Helm wird mit ihnen deutlich leiser und bewegt sich auf dem Niveau
des hier schon häufiger zitierten Touratech-Modells. Die Lösung mit zwei
unterschiedlichen Modellen der Windabweiser erscheint uns ganz pfiffig,
ohne dass wir jahreszeitenbedingt überprüfen konnten, ob wir bei
niedrigen Temperaturen auch ein deutlicher Unterschied feststellen.
In
den Gesamtbewertung reicht es dann für das Helmmodell GS von BMW zu
einem LikeBike mehr als ursprünglich gedacht. Im Hinblick auf das
umfangreichere Zubehör beim schwarzwälder Modell (individuellere
Möglichkeiten der Anpassung an die Kopfform, die integrierte
Brillenhalterung sowie die Cam-Halterungen) ergibt sich auch unter
Berücksichtigung der Tatsache, dass beide Helme in der gleichen
Preisliga spielen, hier ein Unterschied, den es auch auszudrücken gilt.
Somit vergeben wir für das Helmmodell GS von BMW nunmehr insgesamt 3 von 5 möglichen LikeBikes.
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