31.03.2012:
Ich habe ihn schon einige Male erlebt. An verschiedenen Orten. Zum
Beispiel in der Alten Feuerwache oder auch im Admiralspalast. Und am
Freitag dann auch… bei einem Weinhändler in Mitte.
Etwas ungewöhnlich war es schon, dass ein Depot des Filialisten
Jacques am Freitagabend eine Weinverkostung mit einer Live-Vorstellung
von Torsten Riemann abrundete. Manch einer wird fragen: Wer ist Torsten Riemann?
Wenn man sagt, er sei ein Chansonnier, dann klingt das fast zu
langweilig. Da gefällt mir die Bezeichnung als „Song-Poet“, die schon
jemand anderes gefunden hat und die ich hier nur aufgreife, wesentlich
besser. Torsten Riemann interpretiert eigene Texte in deutscher Sprache
zu eigener Musik. Dabei begleitet er sich selbst mal an der
Konzertgitarre, mal mit dem Akkordeon und manchmal auch am Keyboard. Und
am Freitag Abend brachte er mit Eric Daniel Sander noch Verstärkung
mit. Von ihm ließ er sich zu einigen Songs an der Cajon,
einer „Percussion-Kiste“, begleiten. Dabei hielt er nicht nur am Genre
„Chanson“ fest, sondern begab sich auch auf Ausflüge in den Rock
`n`Roll, zum Jazz und sogar mit einem Rap wartete er auf.
Seine Texte könnte man als sozialkritisch bezeichnen, aber auch das
würde nur bedingt treffen. Sie machen nachdenklich, stellen so manch
alltäglich anzutreffende Selbstverständlichkeit in Frage und haben ihre
Wurzeln so oft im üblichen Alltagsgeplänkel.
Die letzten Male wirkte Torsten bei seinen Konzerten mit seinen
tiefgründigen Texten und seinen zwischen den Liedern platzierten
Überleitungen so nachdenklich, dass die Grenze zur Melancholie fließend
war. An diesem Abend war vieles anders.
Er sprühte förmlich vor Humor und guter Laune. Zum Beispiel, wenn er
die Story von seinem Klassentreffen nach dreißig Jahren erzählte und
sich dabei mit seinem Publikum wunderte, wie ein hagerer Revoluzzer im
Laufe der Jahre zu einem übergewichtigen “Ich habe alles vorbereitet
dabei, Du musst nur unten rechts unterschreiben” mutieren kann. Oder
auch, wenn er in seiner eigenen Berlinhymne das Stadtleben auf die
Schippe nahm.
Überhaupt kokettierte Torsten im Verlaufe des Abends immer wieder mit
seiner Berliner Vergangenheit. So ist er doch um die Ecke aufgewachsen:
Die Kindheit und Jugend zwischen Hannoversche Straße und Gartenstr.
verbracht, später war er mit dem Berliner Ensemble auf „Du und Du“.
Schon deswegen hat er zu unserer Stadt eine besondere Bindung, die ihm
mittlerweile im Prenzlauer Berg wohnend auch einen kritischen Blick auf
die Entwicklung dort ermöglicht.
Ein Abend voller Stimmgewalt und Spaß, zwischen Nachdenken und
Unterhaltung nahm seinen Lauf und mehrfach wurde das Programm von lauten
Lachern des Publikums unterbrochen. Der Sänger, Gitarrist, Keyboarder,
Akkordeonspieler und Conferencier in einer Person schaffte es an diesem
Abend, sein Publikum einzufangen und in seine Gedankenwelt mitzunehmen,
und zwar so, dass sich jeder dabei wohlfühlte.
In dieser Verfassung ist Torsten Rieman ein bodenständiger Berliner
Künstler, den man unbedingt gesehen und gehört haben sollte und den man
so gut zumindest lange nicht mehr erleben konnte. Die nächste
Gelegenheit dazu bietet sich am 12. Mai im Café Eisblümchen in Biesdorf. Für mich ein “must-have”!
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