30.10.2012:
Am vergangenen Sonntag fand eine besondere Premiere statt: „Der
kleine König Dezember“ sollte eigentlich schon am 6. Oktober erstmals im
Schlosspark-Theater in Steglitz aufgeführt werden. Aber wenige Tage vor
dem geplanten Termin überschattete der plötzliche Tod des
Hauptdarstellers Dirk Bach die Vorbereitungen.
Dirk Bach, bekannt aus zahlreichen Theateraufführungen sowie präsent
in vielen TV-Formaten, wurde Anfang Oktober in seiner Berliner Wohnung
in der Nähe des Spielortes tot aufgefunden. Neben den emotionalen
Reaktionen mit Bestürzung, Überraschung und Mitgefühl mit den Menschen
aus dem engen Umfeld des Mimen hatten die Verantwortlichen aber auch
gemeinsam schwierige Entscheidungen zu treffen: Sollte das Stück besser
abgesetzt werden oder – nun gerade – doch aufgeführt werden. Und nachdem
man sich, wohl im Sinne Dirk Bachs, entschieden hatte, es nicht
abzusetzen, ergaben sich weitere Fragen:
Wer soll und wer will die Nachfolge übernehmen? Und lässt man Dirk
Bach auch nach seinem Ableben noch an dem Stück teilhaben und wie kann
dies geschehen? Die Gefahr, bei einem solchen Unterfangen die Emotionen
der übrigen Akteure und auch des Publikums über Gebühr zu beanspruchen,
lauerte allenthalben.
Nach wenigen Tagen meldete sich Gustav Peter Wöhler, weil er sich
vorstellen konnte, in die Rolle des kleinen König Dezember zu schlüpfen.
Gern wolle er damit einerseits Dirk Bachs Wirken wertschätzen aber auch
das von Dieter Hallervorden seit Jahren mit viel Herzblut und
Enthusiasmus geführte Schlosspark-Theater unterstützen. Viele werden
Gustav Peter Wöhler aus zahlreichen Krimis, angefangen beim „Tatort“ und
„Polizeiruf 110“, kennen. Anderen wird er dagegen aus verschiedenen
Kinoproduktionen (z. B. „Die sieben Zwerge 2 – Der Wald ist nicht genug“
oder „Absolute Giganten“) bekannt sein. Nur wenige werden dagegen
wissen, dass Gustav Peter Wöhler nebenbei auch regelmäßig mit seiner
gleichnamigen Band live aufspielt und auch schon mehrere CDs produziert
hat.
Am Sonntag nun war es soweit: Der verschobene Premierentermin stand
nach nur drei Wochen Probezeit an, wobei diese Probezeit auch wegen der
parallelen Aktivitäten des Hauptdarstellers nicht durchgängig zur
Verfügung stand; die Generalprobe fand erst am Premierentag im Laufe des
Vormittags statt. Und so wartete das Publikum im ausverkauften Theater
wohlwollend und mit positiver Vorfreude auf das, was in dieser kurzen
Zeit auf die Beine gestellt werden konnte.
Um es vorwegzunehmen: Am Ende wurden Schauspieler, Regisseur,
Bühnenbildner und alle darüber hinaus beteiligten Akteure mit standing
ovations zu ihrer sehr gelungenen Leistung beglückwünscht. Neben den
überzeugenden und die jeweiligen Charaktere gut herausarbeitenden
Darstellern Gustav Peter Wöhler und Matthias Freihof hat mich die
Handschrift des für die eingesetzte Videotechnik zuständigen Axel Martin
besonders angesprochen.
Bislang war das Schloßparktheater nicht unbedingt für einen
hervorstechenden Einsatz technisch modernen Equipments bekannt und dankt
seinen bisherigen Erfolg vor allem den regelmäßigen schauspielerischen
Fähigkeiten. In diesem Stück kommt nun aber die Komponente Technik
hinzu.
Als Autor stellt Axel Hacke den Dialog zwischen dem „großen
Insbürogeher“ und dem bei ihm wohnenden, nur fingergroßen König Dezember
II. über die verschiedenen Welten, in denen sie leben, in den
Mittelpunkt. Da man in der Welt des kleinen Königs als „Großer“ zur Welt
kommt und bereits zu diesem Zeitpunkt alles kann und nichts mehr lernen
muss, erscheinen ihm die Darstellungen des von Matthias Freihof
dargestellten „großen Mannes“ nicht nur befremdlich, sondern unlogisch.
Denn in seiner Welt schrumpfe man im Laufe der Zeit immer weiter, bis
man irgendwann nicht mehr zu sehen sei. Außerdem vergesse man immer mehr
und die anderen müssten einem immer wieder alles erklären. Man selbst
habe mit zunehmendem Alter immer mehr Zeit, sich auf die wirklich
wichtigen Dinge des Lebens zu konzentrieren, wie zum Beispiel im Garten
nach Schatten zu schauen oder Wolken Namen zu geben.
Sehr schön wird dem Publikum dabei vorgeführt, wie sehr man sich in
der Welt des kleinen Königs auf das Alter freuen könne, weil doch viele
schöne Dinge auf einen warten würden.
Allein schon die Aufgabe, die Größenunterschiede zwischen dem „großen
Mann“ und dem kleinen König auf die Bühne zu transportieren, ist nicht
ganz leicht. Aber hier wird sie mit Hilfe von Videotechnik, die den
„großen Mann“ immer wieder überlebensgroß an das liebevoll gestaltete
Bühnenbild projeziert, gelöst. Das besondere dabei ist, dass es hier
gelingt, mit wenigen Handgriffen Projektionen im Hintergrund in reale
Gegenstände auf der Bühne zu transferieren und umgekehrt. So gelingt es,
Bühne und Videoprojektion nicht als zwei sich gegenüberstehende
Handlungsfelder voneinander zu trennen, sondern als eine verschmelzende
Einheit mit fließenden Übergängen darzustellen.
Mit besonders viel Fingerspitzengefühl gelingt es dabei, Dirk Bach
immer wieder in das Stück zu integrieren. Glücklicherweise wurden einige
Situationen, in denen er als Teil der Videoprojektion agieren sollte,
noch vor seinem Tod aufgezeichnet. So kann er auch jetzt noch so manches
Lächeln auf die Lippen des Publikums zaubern, wenn er beispielsweise
als Pilot eines Papier-Jets über das Bühnenbild flitzt.
Insofern ist den Verantwortlichen hier im doppelten Sinne eine
Integration geglückt, wenn sie das Publikum auch in den kommenden Wochen
immer wieder einmal in die Welt de kleinen Königs Dezember entführen.
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