13.12.2012:
Wie immer zum Jahreswechsel touren auch aktuell mehrere Künstler mit
der Night of the Proms durch Deutschland. Auch in Berlin machte der
„Wanderzirkus“ Anfang Dezember in der O2-Arena halt. Getreu dem Motto „Klassik trifft Pop“ sind die Künstler auch in
diesem Jahr bunt zusammengestellt und stammen aus verschiedenen
Musikrichtungen. Außerdem werden sie unterstützt von farbenfrohen
Laser-Effekten, die bizarre Eindrücke in die gut gefüllte Halle zaubern.
Begleitet werden alle Musiker vom Sinfonieorchester II Novecento mit
55 hochkarätigen Instrumentalisten und dem Chor Fine Fleur unter Leitung
des NotP-Urgesteins Robert Groslot.
Auch wenn sie nicht gerade als Anheizer
taugen, machen die vier Div4s (sprich „Divas“) den Auftakt und
versuchen, das Publikum mit zwei klassischen Stücken anzusprechen. Am
wohlwollenden Applaus, den sie erhalten, ist auch relativ schnell
erkennbar, dass an diesem Abend die Pop-Fraktion unter den Zuschauern
eindeutig stärker vertreten ist als die klassik-orientierten Fans. Schon
bei diesem Auftritt fällt auf, dass die ansonsten überaus professionell
wirkende Technik ein wenig Raum für Verbesserungen lässt: Leider laufen
die Bilder auf der überdimensionalen elektrischen „Leinwand“ nicht mit
dem Ton synchron und weisen einige Zehntelsekunden Verzögerung auf.
Aber auch das kann nicht davon ablenken, dass das Quartett eigentlich
auch ganz gut als Trio auftreten könnte: Fast alle Solo-Parts werden eh
nur von den gleichen drei Sängerinnen vorgetragen. Schade eigentlich
auch, da die wenigen Passagen von Nr. 4 (ist es Denise, Isabella,
Vittoria oder Sofia – ich weiß es nicht) gar nicht so schlecht klingen.
Wenig später wird der Pop die Halle erobern: Die deutsche Band
Stanfour ruft ihre aktuellen Hits „Whishing you well“, „In your arms“
und „For all lovers“ ab und die ersten Zuschauer denken darüber nach,
ihre bequemen Sitze gegen tanzbare Stehplätze einzutauschen. Dies
geschieht dann spätestens, als Nile Rodgers & Chic mit Ihrem
Mega-Hit „Le Freak“ an beste Disko-Zeiten erinnern.
Der frühere Musiker der Studioband der Sesamstraße kann mit „Chic“
und auch als Produzent auf eine lange Liste von Hits zurückblicken:
„Good Times“, „My forbidden lover“ aber auch „We are family“ oder „Lost
in music“ gehen auf seine Kreativität zurück.
Mit einer Hommage an das Musical „König der Löwen“ kommt dann John
Miles auf die Bühne. Er gehört seit 25 Jahren zu den tragenden Säulen
der Night of the Proms und darf daher auch in der Hauptstadt nicht
fehlen. Ob ausschließlich per Gesang oder Gitarre bzw. Piano spielend
weiß er, die Zuhörer mit seiner markanten Stimme in seinen Bann zu
ziehen. Sein Song „Music was my first Love“ verkörpert wie kaum ein
anderer die Philosophie der Night of the Proms.
Ihm folgt eine weitere Ikone der 80er: Alison Moyet, im Punk-Rock
ebenso sicher wie im anspruchsvollen Pop, im Chanson und im Blues, singt
mit „All cried out“ und „Invisible“ einige Meilensteine ihrer
Solo-Karriere.
Und wer sie noch als Teil des Duos Yazoo in Erinnerung hat, wird
dennoch nicht enttäuscht, hat sie doch im Laufe der Jahre nichts von dem
Eindrucksvollen Klang ihrer Stimme eingebüßt.
Zum Ende der Veranstaltung erscheint dann auch der vorher als
Mega-Star angekündigte Seal. Mehrere alte bekannte Songs sowie auch eine
Kostprobe aus seinem neuen Album „Soul 2“ klingen durch die O2-Arena.
Auch wenn er stimmlich weder John Miles noch Alison Moyet das Wasser
reichen kann, verkommen die erneut auf der Bühne erscheinenden Div4s bei
dem nun anstehenden gemeinsamen Song zu „ganz netten“
Background-Sängerinnen. Fast nimmt man sie eher als schmachtende und
genießende Groupies war, als Seal seine Leidenschaft und Ausdrucksstärke
in die Waagschale wirft.
In jedem Fall versteht er es wie kein anderer, mit seinen Ausflügen
ins Publikum, seinen persönlichen Gesten und seiner Dynamik die Halle
mitzureißen: So hangelt er sich zu einem wahren Höhepunkt des Abends.
Bekanntlich soll man dann aufhören, wenn es am besten ist. Das muss
irgendjemand auch Seal gesagt haben, denn mit diesen Eindrücken endet
ein kurzweiliger Abend, der sich aber im Hinblick auf Würde und Pathos
von seinem Original in London deutlich unterscheidet.
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