Montag, 5. September 2016

Motorradwarnweste mit Airbag: Helite HI-VIS

November 2012: 


Viele Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer werden auch an den jetzt anstehenden Tagen mit früh einbrechender Dämmerung und regen- oder nebelbedingt beeinträchtigten Sichtverhältnissen auf den Straßen unterwegs sein. Da stellt sich irgendwann unweigerlich die Frage, ob man versucht, die eigene Sichtbarkeit zu verbessern. Während die einen aus optischen oder Imagegründen das Tragen sog. Sicherheits- oder Warnwesten für sich ausschließen, nimmt die Zahl der Westenträger kontinuierlich zu; der Handel hält eine große Auswahl in unterschiedlichen Qualitäts- und Preisstufen bereit.

Über diese Auswahlmöglichkeiten hinaus hat mich ein Angebot ganz besonders angesprochen: Der französische Hersteller Helite hat sich dem Thema Sicherheit auf dem Motorrad aus einem anderen Blickwinkel genähert und dann mehrere Aspekte miteinander verbunden:

Aus modernen PKWs sind Airbags heutzutage nicht mehr wegzudenken, ihr Schutzpotenzial im Falle eines Unfalls ist unbestritten. Für Motorräder gilt es, zusätzliche konstruktionsbedingte Schwierigkeiten zu meistern. So hat Helite das Thema aufgegriffen und Airbag-Jacken und -Westen für Motorradfahrer entwickelt, die nun auch in Deutschland vertrieben werden.


Seit Jahren bestens mit einer Textiljacke des finnischen Anbieters Rukka ausgestattet, habe ich mich daher mit der Airbag-Weste HI-VIS näher befasst. Die Weste sieht auf den ersten Blick wie eine der üblichen Sicherheitswesten aus: Die leuchtend gelbe Grundfarbe wird von Streifen aus reflektierendem Material unterbrochen. Diese Reflexionsstreifen erfüllen damit gleichzeitig auch die seit vergangenem Sommer für Frankreich-Urlauber geforderten Mindestgrößen der Reflexionsflächen auf Motorradjacken.

Hebt man die HI-VIS an, merkt man sehr schnell den Unterschied zu herkömmlichen Sicherheitswesten: Man wird von einem deutlich höheren Gewicht überrascht. Zum einen ist dies auf das wesentlich stärkere Material zurückzuführen. Da für die Airbag-Wirkung auch Kammern geschaffen werden mussten, sind die Westen an den meisten Stellen mit doppellagigem Material ausgestattet. Dabei wurde auf der Innenseite ein Mesh-Material verwendet, das eine möglichst gute Belüftung gerade an wärmeren Tagen ermöglichen soll. Naturgemäß kann ich dazu aufgrund der aktuellen Temperaturen noch nichts sagen und muss meinen eigenen Wissensdurst insoweit auf die nächste Saison vertrösten.


Zum anderen ergibt sich das größere Gewicht aus der in einer kleinen Tasche an der Vorderseite der Weste angebrachten CO2-Flasche . Aus dieser wird im Bedarfsfall das Kammersystem befüllt, um die Airbag-Wirkung zu erzielen. Dazu ist es notwendig, dass ein an dieser Flasche befestigter Abreißgurt betätigt wird. Dazu muss das andere Gurtende irgendwo fest mit dem Motorrad verbunden werden. Wird der Nutzer dann bei einem Unfall von dem Motorrad geschleudert, löst der Gurt aus und die Airbag-Kammern werden aufgeblasen. Ansonsten besteht dieser Gurt aus zwei Teilen, die mittels Schnalle miteinander verbunden sind. Damit kann man sich schnell von dem am Motorrad befestigten Gurtende lösen, wenn man vom Bike absteigen möchte; ebenso schnell ist die Verbindung vor dem Start der nächsten Tour wieder hergestellt.

Ich habe mich dazu entschlossen, das lose Gurtende links am Lenker zu befestigen, was mir noch etwas Bewegungsfreiheit ermöglicht, wenn ich vor dem Absteigen das Lösen des Gurtes doch einmal vergessen sollte. Immerhin soll der Airbag in diesen Fällen auch erst dann ausgelöst werden, wenn an ihm mit einer Kraft gezogen wird, die einem Gewicht von etwa 30 kg entspricht. Allerdings sollte man bedenken, dass die Befestigung des Gurtendes am Lenker dazu führt, dass sich die Zeitspanne bis zum Auslösen des Airbags verlängert, wenn man im Falle eines Unfalls nach vorn über den Lenker absteigt. Hier würde sich eine körpernahe Platzierung anbieten, ggf. unter der Sitzbank oder dgl. ich selbst werde an meinem Reisedampfer ebenfalls noch nach Optimierungsmöglichkeiten suchen.

Das Auslösen des Airbags soll dazu führen, dass die Kammern der Weste nach innen hin befüllt werden. Dadurch soll ein zusätzlicher Druck auf den Körper erzielt werden, der zu einer Anspannung desselben führen soll. Von einem muskulär vorgespannten Körper verspricht sich der Hersteller ein geringeres Verletzungsausmaß bei Knochenbrüchen oder Verrenkungen. Es werden Kammern auf der Brust- wie auch auf der Rückseite der Weste und vor allem auch zusätzlich im Nackenbereich befüllt. Dadurch soll zusätzlich auch schweren Verletzungen im besonders gefährdeten Hals-Nacken-Bereich entgegengewirkt werden.


Positiv: Wurde der Airbag einmal ausgelöst, ist die Weste – anders, als man es aus dem PKW kennt – weiterhin verwendbar. Lediglich die kleine CO2-Flasche muss erneuert werden, was der Hersteller zu einem Preis von 22 Euro ebenfalls über seine Homepage anbietet.

Bislang habe ich die Herstellerangaben noch nicht überprüft, nach denen ein Befüllen der Airbag-Kammern im erforderlichen Ausmaß innerhalb einer Zehntelsekunde nach dem Auslösen erfolgen soll. Aber das werde ich – natürlich nur als „Trockenübung“ und bitte ohne wirklichen Unfall – gelegentlich ebenfalls testen und per Video dokumentieren. Nach dem Befüllen der Kammern soll der aufgebaute Kammerdruck für etwa 8 Sekunden in voller Stärke vorhanden sein und sich dann innerhalb der nächsten etwa 2 Minuten kontinuierlich wieder abbauen.

Getragen wird diese Weste über den ansonsten genutzten Motorradjacken. Sie wird an der Front mit drei Schnallen geschlossen, die ausreichend Zugriff in die Brusttaschen zumindest meiner Rukka-Jacke „Armas“ ermöglichen, um nach dem Tanken ohne großen Aufwand das Portemonnaie zücken zu können. Zusätzlich ist jedenfalls an meiner Fahrschulausführung der Weste per Klettband eine große Brusttasche angebracht, wobei diese wohl nicht wasserdicht sein dürfte. Normalerweise befindet sich an den Westen keine derartige Tasche.


Orientiert an der Maßtabelle, die Helite auf der eigenen Homepage zur Verfügung stellt, kann man dann aus sechs verschiedenen Standardgrößen wählen, die jedenfalls in meinem Fall sehr präzise passen. Ich selbst konnte bei einem ersten Fahrtest über 150 km nur eine Einschränkung wahrnehmen: Die Weste HI-VIS ist zusätzlich mit einem zertifizierten Rückenprotektor ausgestattet und bietet so allen, die bislang ohne Rückenprotektor unterwegs sind, noch ein zusätzliches Feature. In Kombination mit meiner Rukka-Jacke war dies dann aber des Guten zu viel und engte zu sehr ein. Ich habe mich dann für den körpernäher platzierten Protektor der Jacke entschieden und den Protektor aus der HI-VIS mühelos mit wenigen Handgriffen entfernt.

Bei meiner Sozia fiel zusätzlich auf, das die Positionierung der CO2-Flasche an der Vorderseite der Weste bei Frauen etwas störend sein kann. Wir werden das über einen längeren Zeitraum hin beobachten und diesen Beitrag dann nach weiteren gefahrenen Test-Kilometern entsprechend ergänzen.


Kleiner Tipp für alle Interessenten: Es empfiehlt sich, sich beim Ausziehen in einem Rutsch von Motorradjacke und Sicherheitsweste „zu befreien“, um beide vor dem nächsten Ausritt ebenso einfach wieder gemeinsam anziehen zu können. Da die Weste recht große Armausschnitte aufweist, die beim Tragen die Bewegungsfreiheit nicht unnötig einschränken sollen, neigt die Weste dann etwas dazu, schnell über die herunterhängenden Jackenärmel herunterzurutschen. Am besten, man breitet Motorradjacke und Sicherheitsweste aus, indem man sie über eine Stuhllehne oder dgl. oder bei längerer Nichtbenutzung auf einen Bügel hängt.


Insgesamt vermittelte die Weste auf den ersten gefahrenen Kilometern ein sehr gutes Gefühl, sowohl im Hinblick auf die Sichtbarkeit für andere Verkehrsteilnehmer als auch auf die zusätzliche Sicherheitsoption durch den Airbag. Die Konstruktion erscheint zunächst erst einmal aus theoretischer Sicht gut durchdacht; die praktischen Erfahrungen sollen dann – wie oben beschrieben hoffentlich nur als „Trockenübung“ - zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen und diesen Beitrag entsprechend ergänzen.

Finanziell schlägt das gute Stück leider mit etwa 550 Euro noch recht deutlich zu Buche. Wir sehen hier wie auch schon an zahlreichen anderen Stellen (Bekleidung, Protektoren, Handschuhe, Stiefel, Helme...), dass wir ein zusätzliches Plus an Sicherheit nicht zum Nulltarif erwarten dürfen. Dabei bin ich mir sehr wohl bewusst, dass es leider viele Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer geben wird, die vom Prinzip dieser Idee überzeugt sein werden, aber den entsprechenden finanziellen Spielraum selbst nicht haben. Aber es bleibt für mich die Hoffnung, dass diejenigen, die auch für Ihre Motorräder und sonstige Ausstattung in der Lage und bereit sind, etwas tiefer in die Tasche zu greifen, durch eine erhöhte Nachfrage langfristig den Boden für erschwinglichere Angebote dieser Art bereiten: Auch diese Entwicklung haben wir bei den Airbags im PKW-Sektor vor einigen Jahren erleben dürfen.

Ich jedenfalls bin froh, auf meinen künftigen Fahrten die HI-VIS nutzen zu können. Und damit verspreche ich mir keinesfalls, mit einem Allheilmittel alle Risiken des Motorradfahrens verhindern zu können; mir reicht es insoweit schon aus, eine Chance zu haben, dass die Folgen eines solchen Risikos vielleicht etwas gemildert werden und ich hoffentlich im Falle des Falles mit einem symbolhaften „blauen Auge“ davon zu kommen.



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